Einführung
Wozu diese Seite?
Ethnologie der Sinne
Forschungsgeschichte
Über die Macherinnen
   
  Riechen
Der Geruchssinn
Ethnologischer Diskurs
Die Olfaktorische Revolution
Die Konstruktion sozialer Kategorien
Gewürze und Aromen
Einleitung
Begriffsklärung
Philosophische Grundlagen
Antike
Mittelalter
Gewürze und Aromen der Antike und des Mittelalters
Die heilende Wirkung der Gerüche
Handel mit Duftstoffen und Gewürzen
Schlusswort
Gerüche und ihre Bedeutung
   
  Fühlen
under construction
   
  Literatur und Links
Bibliographie
Riechlinks
   
  Interaktiv
Kontakt
Forum





 

Gewürze und Aromen der Antike und des Mittelalters-
Die heilende Wirkung der Gerüche

Gerüche und Aromen hatten in der Antike eine besondere Stellung in der Prävention, aber auch der Therapie von Krankheiten. So fand man auf einer babylonischen Tafel aus dem 6. Jh.v.Chr. eine Auflistung von 66 wildwachsenden Pflanzen zur Herstellung von Heilmitteln, bei denen fragwürdig bleibt, ob es sich um Gewürze oder Aromen handelt. Parfum und Medizin, so wie Nahrung und Medizin wurden nicht in derselben Weise getrennt wie heute.

Eine einfache und häufig angewandte Methode war die der Aromatherapie mit Riechmitteln, die auf die Antike zurückgeht und deren wichtigster Vertreter der römische Arzt Caelius Aurelianus im dritten Jahrhundert war. Dazu wurden Gerüche als Heilmittel inhaliert oder zur Prävention auf Kopf und Brust eingerieben. Dafür finden sich zahlreiche Beispiele, von denen hier nur wenige zur Veranschaulichung genannt werden sollen: gegen die giftige Wirkung von alkoholischen Dämpfen salbte man den Kopf mit Parfum oder trug Myrrhegirlanden nach dem Alkoholgenuß gegen die ungeliebten Nachwirkungen. Auf Wunden wurden Parfums direkt aufgetragen. Gegen Epilepsie etwa verschrieb Caelius eine Mischung aus Essig, Rosenöl und Bibergeil. Auch Hippokrates weist auf verschiedenen Heilwirkungen von Pflanzen hin, wie "[...] die menstruationsfördernden Eigenschaften der tanninhaltigen Pflanzen [und] die Schockwirkung bitterer Kräuter auf die Drüsen, auf die beruhigenden, magenstärkenden Eigenschaften der Doldenblütler und ihre Wirkung gegen Blähungen [...]". Als magisches Kraut galt bei den griechischen Ärzten der Salbei, aus dem man das Salbeiöl zu Heilzwecken gewinnen konnte. Der Gedanke, der hinter dieser Behandlung mit Gerüchen stand, war, durch das Bekämpfen des Krankheitsgeruchs die Krankheit selbst zu bekämpfen, wie es auch im Falle der Pest praktiziert wurde. Doch auch der Nahrung sprach man heilende Eigenschaften zu, wie etwa Äpfeln, dass sie Giften entgegenwirken. Und auch Safran wurde sowohl für Speisen, als auch Getränke und Parfums, aber auch Heilmittel verwandt. Kreuzritter hatten ihn aus Persien und Nordwest-Indien nach Europa gebracht. Zur Therapie, aber auch Diagnose wurden nicht nur in der antiken Medizin alle fünf Sinne miteinbezogen, wie etwa Hippokrates in seiner Schrift "Die ärztliche Werkstätte" fordert. Seine Vier-Säfte-Lehre beherrschte die Medizin von der Antike bis in das 18. Jahrhundert. Und auch der Arzt Galen fand weithin Gehör mit seiner Empfehlung zur Bestimmung der Eigenschaften von Arzneimitteln alle fünf Sinne einzusetzen. Eine vorrangige Stellung hatten dabei bis in das 18. Jh. der Geruchssinn und der Augenschein, indem sie die Messinstrumente der Chemie und Pharmazeutik ersetzten. Der Verlust oder ein geschwächter Geruchssinn wurden einem Text des Petrarca aus dem 14. Jahrhundert zufolge als nicht so gravierend angesehen wie etwa Taub- oder Blindheit, obwohl dieses Krankheitsbild schon Caelius bekannt war.

Im Mittelalter gewannen arabische Ärzte in der Bestimmung medizinischer Eigenschaften von Pflanzen an Einfluß. Über sie gelangten die verloren geglaubten Lehren der Ärzte des Altertums wieder in das Abendland, da sie diese bewahrt und weiterentwickelt hatten. Diese Verbindung arabischer und antiker Auffassungen führte dazu, dass die Mediziner sich die verwesungshemmenden, reinigenden, kräftigenden und belebenden Eigenschaften der Duftstoffe zunutze machen konnten.

Für besonders wirksam erachtete man im Mittelalter Wohlgerüche zur Behandlung von sowohl verdorbener Luft, als auch eines kranken Körpers, da man die "(...) Ursachen organischen Verfalls analog zu denen der Luftverderbnis (auffasste)". Um sich ein "gesundes Duftumfeld" zu schaffen gab es verschiedene Methoden: so empfahl etwa das Kollegium der Fakultät von Paris während der Pest von 1348 "für den Sommer kalte Aromen wie Rosen, Sandelholz, Seerosen, Essig, Rosenwasser, außerdem Kampfer-Duftkissen `mit denen das Herz gestärkt wird`, und kalte Äpfel; für den Winter warme Aromen wie Aloe-Hölzer, Ambra, Muskatnuß und Ambra-Äpfel" , um Luft und Körper das zu geben, was sie zur Erhaltung ihres Gleichgewichts benötigen. Auch so wenig Luft wie möglich einzuatmen und "erfreuliche und aromatische Gerüche um sich zu haben, wie einen essiggetränkten Schwamm, einen wohlriechenden Strauß oder Apfel" sind eine weitere Möglichkeit, krankmachende Geruchsherde von sich fernzuhalten. In Riechäpfeln oder Riechdöschen, Latwergen und Duftkissen wurden duftende Essenzen aufbewahrt, um die Luft rein zu halten.

Aber auch eine moralische Komponente kommt den Gerüchen im Mittelalter zu, durch den arabischen Gelehrten Avincenna. Unter Berufung auf den Ausspruch des muslimischen Propheten Mohammed "drei Dinge aus eurer Welt sind mir lieb gewesen: der Duft, die Frauen und, was meine Freude war, das Gebet" , proklamiert er die stärkende Wirkung von Aromen und deren Einfluß auf die "`guten Sitten` und die Vollkommenheit im Handeln" . Avincenna interpretiert das Zitat in der Weise, dass starke Aromen sich positiv, schwache Aromen negativ auf die Gedanken auswirken.

   zur Startseite nach oben