Der Geruchsvorgang unterliegt einem ständigen Lernprozess, der
von der genetischen Ausstattung eines Menschen determiniert wird.
Eine Geruchswahrnehmung hängt vom individuellen Schwellenwert ab,
die Bedeutung aber, die mit einem Geruch verbunden wird, resultiert
aus den Erfahrungen eines Menschen und damit aus seiner Kultur.
Betrachtet man nun die Erkenntnisse der Dufthedonik, die besagen,
dass die Bewertung von Gerüchen in ihren Extremen ("riecht gut"
oder "riecht schlecht") auf große interindividuelle Übereinstimmung
trifft, kann dies mit den Ergebnissen aus den vorgenommenen Free
Lists bestätigt werden. Von den insgesamt 321 Nennungen der guten
Gerüche, wurden 29 Items mindestens dreimal genannt, 263 Items hingegen
wurden jeweils nur von einer Person erwähnt. Das gleiche Bild bei
den schlechten Gerüchen, hier gab es bei 351 Items 300 Einzelnennungen.
Dies bedeutet, dass ein kultureller Konsens darüber existiert, was
duftet oder stinkt, dass aber zusätzlich individuelle Abstufungen
im Empfinden existieren.
Die erhobenen Items selbst sind kulturspezifisch. Aussagen wie
‚chemische Industrie' und ‚Abgase' sind kaum von Menschen zu erwarten,
die in einem schwach industrialisierten Gebiet leben. Die ‚Rose'
einst aus Asien nach Europa gekommen, mag nicht überall auf der
Welt als Symbol des Duftes und der Liebe gelten. Viele der genannten
Items spiegeln die mitteleuropäische Landschaft (z.B. ‚Nadelwald'
und ‚Wald') und Essensvorlieben (z.B. ‚Brot' und ‚Hähnchen') wider,
die in anderen Kulturen sicherlich anders ausfallen würden.
Es mag aber auch Gerüche geben, die von den Menschen aller Kulturen
bevorzugt oder verabscheut werden. Denkt man zum Beispiel an die
Dimensionen der guten Gerüche meiner Untersuchung, konnte in einen
essbaren und einen nicht-essbaren Bereich unterschieden werden,
was aufgrund der Verbindung zwischen olfaktorischer und gustatorischer
Perzeption nicht verwundert.
Sehr wahrscheinlich ist auch eine universelle Ablehnung bestimmter
Gerüche. Dazu gehören alle Items rund um die Exkremente und der
Item ‚Verwesungsgeruch', die wegen ihrer potentiellen Gesundheitsgefahr
gemieden werden. Die These, dass schlechte Gerüche mit Krankheit
und Bedrohung assoziiert werden, bestätigt auch ein Teil meiner
Daten, da Items wie Abgase oder Zigaretten der Gesundheit entgegenwirken
bzw. Mundgeruch und Krankenhaus bereits ein physisches Leiden ausdrücken.
Möglicherweise handelt es sich bei den hier getätigten Feststellungen
um ein allgemein gültiges Schema, dass von jeder Kultur mit ihren
eigenen spezifischen Werten gefüllt wird, dessen Struktur aber gleich
oder zumindest ähnlich bleibt. Diese These zu verifizieren mag eine
der vielen zukünftigen Aufgaben in der ethnologischen Geruchsforschung
sein. Genauere Aussagen erfordern in jedem Fall weitere und vor
allem kulturvergleichende Untersuchungen.
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